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DAS JAHRESENDGESPRÄCH HAT AUSGEDIENT*

04.11.2015

Ihre Landauf, landab steht in vielen Unternehmungen und Verwaltungen in den kommenden Wochen das Jahresendgespräch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden an. Viele Führungskräfte und Mitarbeitende erschaudern, wenn sie daran denken. Sie wären froh, es hätte ausgedient. Dass die Personalabteilung mehrmals nachfassen muss, um die Ergebnisse zu erhalten, zeigt ebenfalls, dass es sich für viele eher um eine mühsame Pflichtübung als um einen Teil der normalen Führungsaufgabe handelt.

 

Zu viel auf einmal

In einem einzigen Gespräch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden werden Leistung und Zielerreichung eines ganzen Jahres beurteilt. Da die Zielerreichung häufig Bonus-wirksam ist, steht diese im Vordergrund. Es ergibt sich deshalb oft ein unilaterales Gespräch und eine Chef-Angestellten-Atmosphäre, auch wenn der Vorgesetzte dies gar nicht so möchte. Soll im gleichen Gespräch noch die Entwicklungs- und Ausbildungsplanung geklärt werden, erfolgt auch diese primär aus einem Blickwinkel, dem des Vorgesetzten bzw. des Unternehmens.

 

Mancherorts hat sich ein wahres Prozessmonster entwickelt. Die Einführung eines offiziellen Halbjahresgespräches, um die Entwicklung und Ausbildung von der Leistung und Zielerreichung zu trennen, hat den Prozess auch nicht entschlackt. Eine Studie des Corporate Leadership Council von 2011 (CLC Engagement Research Survey: Building Engagement Capital) zeigt zudem, dass halbjährliche oder nur jährliche Feedbacks sogar einen negativen Effekt auf das Engagement der Mitarbeitenden haben. Leistung und Engagement der Mitarbeitenden lassen sich nur positiv beeinflussen, wenn mindestens monatlich eine Rückmeldung durch die Vorgesetzten erfolgt.

 

Zu wenig kooperativ

Viele Mitarbeitende beurteilen die traditionellen Jahresendgespräche als wenig kooperativ. Die Selbstbeurteilung ihrer Leistung ist noch zu häufig nicht gefragt. Ebenso werden ihre Entwicklungs- und Ausbildungsbedürfnisse primär dann aufgenommen, wenn sie in die Planung des Unternehmens passen. Ihre Erwartungen an die Vorgesetzten oder eine Beurteilung derer Leistung sind kaum einmal gefragt. Damit werden Motivation und Engagement der Mitarbeitenden zerstört.

 

Solche Prozesse sind nicht mehr zeitgemäss. Sie entsprechen nicht einem modernen Arbeitsumfeld das von Vertrauen und Verantwortungsübernahme geprägt wird. Kurz und bündig: sie erfüllen die Anforderungen der Mitarbeitenden an einen attraktiven Arbeitgeber nicht.

 

Lernen von den Kunden - "Customer Experience" auch im HR

Wie heutige Feedbackformen aufgebaut sind zeigt ein Blick auf die Kundenseite. Unter dem Stichwort "Customer Experience" hat bei den Kundenbeziehungen die Digitalisierung zu einer starken Veränderung der Feedbackkultur geführt. Wer zum Beispiel eine Nacht in einem Hotel verbringt, erhält unmittelbar im Anschluss eine Email mit der Bitte um Rückmeldung zum Kundenerlebnis. Zudem kann ein Kunde das Hotel auf diversen Internetportalen beurteilen und seine Eindrücke einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen. Die Beurteilung anderer Nutzer dient vielen Gästen als Entscheidungsgrundlage für die Wahl eines Hotels. Regelmässige und sofortige Rückmeldungen gehören im Kundenbereich heute zum Standard. In der digitalen Gesellschaft wird weltweit "geliked" und kommentiert. Können in einem dermassen geprägten Umfeld
1-2 Mitarbeitergespräche pro Jahr als „Employee Experience“ genügen?

 

Namhafte Firmen haben den Änderungsbedarf erkannt. Entsprechend der gesellschaftlichen Entwicklung gestalten Sie ihre interne Führungs-, Gesprächs- und Feedbackkultur neu. Die Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehung wird auf eine andere Ebene transformiert. Prozesse wie die Zielsetzung und Leistungsbeurteilung werden angepasst, gleichzeitig entschlackt und digitalisiert.

 

 

* Ein Artikel von Karin Kofler in der SonntagsZeitung vom 20. September 2015 bildete den Anstoss für unsere Gedanken zu diesem Thema.

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