Brückenschlag #21/2
ERFAHRUNGEN UND KOMPETENZEN
27.10.2021
Kompetenzen sind ein Schlüsselbegriff im beruflichen Umfeld. Sie sind die Basis, um die Leistungsfähigkeit einer einzelnen Person, aber auch die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens zu sichern. Das ist nicht neu, und dennoch bilden Kompetenzen und deren Erwerb heute eine besondere Herausforderung.
Erfahrung = Wissen + Praxiserlebnisse
Kompetenz umfasst Sachverstand und Fähigkeiten. Es ist also Wissen gepaart mit Anwendungs- und Denkmethoden, welche es uns erlauben, Aufgaben zu lösen und Herausforderungen zu meistern. Das eine ohne das andere genügt nicht.
Traditionell brachten uns Schule sowie Aus- und Weiterbildungen das notwendige Wissen bei. Anwendungen erlernten wir anschliessend im Praxisalltag, primär durch Repetition der Aufgaben. In der Arbeitswelt des letzten Jahrhunderts war dies ein passendes Vorgehen, da sich bevorstehende Aufgaben meist nur wenig von den bereits erledigten unterschieden. Je häufiger man eine Tätigkeit ausführte, desto erfahrener wurde man. Die repetitive Anwendungserfahrung war für die meisten Berufe und Aufgaben die ausschlaggebende Kernkompetenz, sowohl bei Stellenbesetzungen als auch bei Beförderungen.
Unbekannte Zukunft betrifft alle
In den vergangenen Jahren haben sich aber Berufsbilder verändert, sind neue Akteure aufgetreten und haben traditionelle Strukturen, Zusammenhänge und Abläufe, Brüche und Störungen erfahren. Die Methode, zuerst das Wissen und im Anschluss dann die Praxisanwendung zu erlangen, kann beim heutigen Tempo nicht mehr mithalten. Und wie uns die COVID19-Pandemie gezeigt hat, betrifft dies nicht nur einzelne Wirtschaftsbereiche und Berufsfelder, sondern die Gesellschaft und Arbeitswelt als Ganzes: die Zukunft ist für alle deutlich unvorhersehbarer geworden!
Das Wissen und Können, wie die bisherigen Aufgaben effizient gelöst werden, genügt als Kernkompetenz für zukünftige Tätigkeiten nicht mehr. Umgang mit Unsicherheit, Flexibilität und Innovationskraft sowie die Kompetenz, dies auf unbekannte Problemfelder zu übertragen, sind heute bei allen Arbeitskräften gefragt. Und diese Kompetenzen können nicht schnell genug und vorausschauend erworben werden, wenn sie zuerst vielfach erlebt und daraus eine passende Erfahrungskompetenz aufgebaut werden muss.
Regelmässig im Berufsalltag integriert
Wie also können wir der Dynamik der heutigen Anforderungen Rechnung tragen und dabei einen nachhaltigen und «verträglichen» Kompetenzerwerb resp. -erhalt bewerkstelligen?
Die Erweiterung von Denk- und Anwendungsmethoden sehe ich als ein Kernelement an, und zwar bei allen Mitarbeitenden und auf allen Ebenen der Organisation. Projektmanagement-Kompetenzen zum Beispiel sind anwendungsorientierte Fähigkeiten, die allen Führungskräften und Mitarbeitenden zugutekommen, nicht nur denjenigen, die in Projekten engagiert sind. Wenn jemand über einen breiten Fundus von Anwendungsmethoden verfügt, findet er/sie eher eine passende Lösung für neue, unbekannte Herausforderungen.
Auch Coaching und Mentoring sollten in viel umfassenderem Umfang in der Entwicklung und Weiterbildung eingesetzt werden. Sportler bereiten sich mit Mental-Coaches auf wichtige Ereignisse vor, um die Chance auf Erfolg beim ersten Versuch zu verbessern. Coaching/Mentoring erst einzusetzen, wenn ein «Versagen» auftaucht, wie dies im Berufsumfeld heute meist üblich ist, nutzt dieses Potenzial für die Kompetenzentwicklung zu wenig. Agile Methoden zeigen uns, wie Team- und Peer-Mentoring ohne viel Aufwand im beruflichen Alltag integriert werden können: häufige, regelmässige und dafür kürzere gemeinsame Reflektionen, Feedbacks, Lessons Learnt, etc. gehören zum Standardablauf agiler Vorgehensweisen. Dabei übernimmt jede einzelne Person Verantwortung für die eigene Entwicklung seiner/ihrer Kompetenzen wie auch für die Entwicklung der Kompetenzen im Team.
Damit Arbeitsmethoden in unbekanntem Terrain sicher zur Anwendung kommen, sollten auch regelmässige Übungen zur Festigung eingeplant werden. Es lohnt sich, in diesem Zusammenhang auch über Simulationstrainings nachzudenken.